Der Forschungsscwerpunkt Internationale Wirtschaft kündigt seine 16. Forschungskonferenz „International Economics“ an und lädt zur Einreichung von (vollständigen) Workping Papers ein, die auf der Konferenz präsentiert werden sollen. Das Hauptziel der Konferenz ist es, Wirtschaftswissenschaftlern, die auf dem Gebiet der „Internationalen Wirtschaft“ arbeiten, eine Plattform zu bieten, um aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren. Beiträge von Doktoranden, jungen Fakultätsmitgliedern und jungen Forschern in ähnlichen Positionen sind besonders willkommen, da die Konferenz junge Wirtschaftswissenschaftler unterstützen und ermutigen soll, indem sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Arbeit sowohl anderen jungen Wirtschaftswissenschaftlern als auch erfahrenen älteren Forschern vorzustellen. Die Konferenz soll auch Forscher und politische Entscheidungsträger zusammenbringen, um ein Forum für Diskussionen darüber zu bieten, wie empirische Erkenntnisse effektiver in die aktuelle Wirtschaftspolitik einfließen können.
TIME & LOCATION
Die 16. FIW-Forschungskonferenz findet am Donnerstag, 22. Februar 2024 und Freitag, 23. Februar 2024 an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien), Welthandelsplatz 1, 1020 Wien statt.
PAPER SUBMISSION
Wir bitten um die Einreichung von (vollständigen) Arbeitspapieren zu allen Themen aus dem Bereich der Internationalen Wirtschaft. Bitte reichen Sie Ihre Arbeitspapiere über https://conference2024.fiw.ac.at bis zum 30. Oktober 2023 ein.
Die Auswahlentscheidungen werden im Dezember 2023 bekannt gegeben.
AWARDS Es werden zwei Preise für die besten Beiträge zur Forschungskonferenz vergeben – der ‚Best Conference Paper Award 24′ und der ‚Young Economist Award 24‚. Jeder Preis ist mit 1000 € dotiert. Der ‚Young Economist Award 24‘ ist für Doktoranden, junge Fakultätsmitglieder und junge Forscher in ähnlichen Positionen bestimmt. Um für diesen Preis in Frage zu kommen, müssen alle Autoren der Arbeit zum Zeitpunkt der Einreichung 34 Jahre oder jünger sein.
TOPICS COVERED
Das allgemeine Thema der Konferenz ist „Internationale Wirtschaft“. Dazu gehören unter anderem internationaler Handel, internationale Faktorbewegungen, wirtschaftliche Integration, Auswirkungen internationaler Wirtschaftsaktivitäten auf den Klimawandel, Handelspolitik, internationale Handelsorganisationen, Wirtschaftswachstum offener Volkswirtschaften, multinationale Unternehmen, globale Wertschöpfungsketten, internationale Makroökonomie und andere verwandte Bereiche
Die 16. FIW-Forschungskonferenz „Internationale Wirtschaft“ wird vom FIW mit Unterstützung des Programmkomitees und der österreichischen Bundesministerien für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBFW) und für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) organisiert.
ABOUT FIW
Das FIW – Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft (https://www.fiw.ac.at) ist eine Kooperation zwischen der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), der Universität Wien, der Johannes Kepler Universität Linz und der Universität Innsbruck, dem WIFO, dem wiiw und dem WSR. Das FIW bedankt sich für die finanzielle Unterstützung durch die österreichischen Bundesministerien für Bildung, Forschung und Wissenschaft (BMBFW) und Arbeit und Wirtschaft (BMAW).
Program Committee
Harald Oberhofer (FIW, WU Vienna, WIFO) Julia Bachtrögler-Unger (WIFO) Marta Bisztray (KTRK, Budapest) Jesus Crespo-Cuaresma (WU Vienna) Alejandro Cunat (University of Vienna) Peter Egger (ETH Zürich) Katharina Erhardt (HHU Düsseldorf, DICE) Harald Fadinger (University of Mannheim) Gabriel Felbermayr (WIFO, WU Vienna) Lisandra Flach (LMU Munich) Michael Irlacher (JKU Linz) Inga Heiland (University of Oslo) Mario Holzner (wiiw) Mario Larch (University of Bayreuth) Dalia Marin (TU Munich) Karin Mayr-Dorn (JKU Linz) Birgit Meyer (WIFO) Katrin Rabitsch (WU Vienna) Michael Pfaffermayr (University of Innsbruck) Robert Stehrer (wiiw) Roman Stöllinger (TU Delft) Joschka Wanner (University of Würzburg) Yvonne Wolfmayr (WIFO)
Fragen können an fiw-pb@fiw.ac.at oder alexander.hudetz@wifo.ac.at gerichtet werden. Das Konferenzprogramm wird auf https://www.fiw.ac.at und https://conference2024.fiw.ac.at veröffentlicht. Die Teilnahme an der FIW-Forschungskonferenz ist kostenlos. Die Konferenzsprache ist Englisch. Reisekosten werden nicht rückerstattet.
FIW Award für PhD-Thesen im Bereich International Economics
Einreichfrist 15. November 2023
Im Rahmen des Kompetenzzentrums „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ wird der „FIW Award“ als Förderung für exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen im Forschungsbereich International Economics ausgeschrieben.
Der Preis richtet sich an qualifizierte Wissenschaftlerinnen bis zu einer Altersgrenze von 35 Jahren, die PhD-Thesen an einer österreichischen Universität im Bereich „International Economics“ verfasst haben oder an österreichische Staatsbürgerinnen, die ihre Abschlussarbeit an einer Universität im Ausland verfasst haben.
Der „FIW Award“ hat das Ziel, hervorragende Forschungsarbeiten von Frauen sichtbar zu machen und zu prämieren. Frauen sollen damit motiviert werden, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen.
Die Höhe des Förderpreises beträgt insgesamt € 5.000,00 und kann auf mehrere Nachwuchswissenschaftlerinnen aufgeteilt werden. Die konkrete Aufteilung der Preisgelder richtet sich nach Qualität und Anzahl der Einreichungen.
Gefördert werden theoretische, empirische und wirtschaftspolitische Abschlussarbeiten zu folgenden Themen:
Außenwirtschaft, Direktinvestitionen, Entwicklungsökonomie, Europäische Integration, Geoökonomie, Globalisierung, internationale Finanzmärkte, internationale Handels- und Finanzinstitutionen, internationale Makroökonomik, internationale Wirtschaftsentwicklung, internationaler Handel, internationaler Wettbewerb, multinationale Unternehmen, Umweltfolgen von internationalen wirtschaftlichen Aktivitäten, volkswirtschaftliche Effekte von Migration, Wechselkursregime¸ bzw. ähnliche Themen.
Für die Bewertung der Einreichungen sind folgende Kriterien maßgebend:
Der Abschluss der Phd-These muss im Zeitraum 1. Oktober 2021 bis 15. November 2023 erfolgt sein.
Die Einreichung muss die Abschlussarbeit in PDF-Form und einen Lebenslauf enthalten.
Die Abteilung V/7 „Handels- sowie wettbewerbspolitische Analysen und Strategien“ des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft lädt zur Einsendung von Proposals für eine Studie ein:
Studienthema: Analyse der Effekte der EU-Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland
Im Fokus dieses FIW-Spotlights steht die Wirkung von Sanktionen auf den Handel der Europäischen Union (EU) und Österreichs mit Russland. Die Verhängung von Sanktionen hat zu einem erheblichen Einbruch im Handel geführt, mit einem Rückgang der EU-Exporte nach Russland um 40% und der österreichischen Exporte um 19%. Bemerkenswert ist, dass Russland die wirtschaftlichen Kosten dieser Sanktionen trägt, wie durch einen signifikanten BIP-Verlust von dauerhaft 7,9% verdeutlicht wird. Diese Analyse zeigt die tiefgreifenden Auswirkungen von Sanktionen auf die internationalen Handelsbeziehungen sowie die wirtschaftlichen Einbußen des sanktionierten Landes, in diesem Fall Russland.
Der Überfall auf die Ukraine durch Russland im Februar 2022 hat weltweit zu einer Welle der Empörung geführt und eine komplexe Reaktion von Sanktionen und Gegensanktionen ausgelöst. Diese politischen Maßnahmen haben nicht nur direkte Auswirkungen auf die beteiligten Nationen, sondern senden auch Schockwellen durch die globale Wirtschaft, die weit über die unmittelbar betroffenen Länder hinausreichen. In einer Zeit, in der die Weltwirtschaft noch mit den Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie kämpft, ist das Verständnis der ökonomischen Kosten dieser Sanktionen von entscheidender Bedeutung.
Zu Beginn des Konflikts wurden zeitnah Studien veröffentlicht, die die wirtschaftlichen Kosten möglicher Sanktionen und Handelsstopps analysierten (Bachmann et al., 2022; Balma et al., 2022). Damals war es jedoch noch nicht möglich, den genauen Einfluss dieser Maßnahmen auf den Handel zu messen. Die Autor:innen konnten nur Annahmen zugrunde legen und Modelle erstellen. Siebzehn Monate später ist es nun möglich, die Veränderungen im Handelsvolumen zu messen und somit eine präzise Analyse der Kosten dieser Maßnahmen zu erstellen. Zunächst wirft der Autor einen Blick auf die Auswirkungen der Sanktionen auf den Handel, bevor in einem hypothetischen Szenario die makroökonomischen Folgen genauer untersucht werden.
Der Handel bricht ein
Die ergriffenen Sanktionen haben den Handel mit Russland erheblich beeinflusst. Die Exporte der EU nach Russland sind mit dem Inkrafttreten der ersten Sanktionspakete im Mai 2022 um über 60% eingebrochen. Anschließend haben sich die Exporte etwas erholt. Dennoch lagen sie im Januar 2023 noch immer 40% unterhalb des mehrjährigen Mittels. Diese aggregierten Zahlen auf EU-Ebene geben keinen Aufschluss über die Unterschiede in der Handelsdepression zwischen den Mitgliedsländern (siehe Grafik 1). Von den größten Mitgliedsländern gingen die Exporte von Frankreich und Deutschland nach Russland am stärksten zurück. Die deutschen Exporte lagen im Januar um 59%, die französischen um 48% unter dem langjährigen Durchschnitt. Weniger stark betroffen ist der Handel Österreichs mit Russland. Österreichische Exporte sanken zunächst um 41% im Mai 2022. Anschließend erholten sie sich wieder und erreichten im Juli 2022 sogar ein Plus von 2%. Dennoch haben die Sanktionen auch für Österreich negative Auswirkungen auf den Handel. Im Januar 2023 lagen die Exporte noch 19% unterhalb des mehrjährigen Mittels. Die unterschiedlichen Handelseffekte zwischen den Mitgliedsländern zeigen, dass die Länder ganz verschiedene Güter mit Russland handeln. Dabei sind in jedem „Warenkorb“ unterschiedliche Anteile von sanktionierten Gütern und Dienstleistungen enthalten. So enthält der österreichische Export-Mix überdurchschnittlich viele nicht sanktionierte Warengruppen, wie z.B. Lebensmittel und pharmazeutische Produkte, wodurch der geringe Rückgang erklärt wird.
Um die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen zu berechnen, müssen die verschiedenen „Warenkörbe“ der Länder im Handel mit Russland berücksichtigt werden. Dazu berechnet der Autor zunächst den Sanktionseffekt auf der Ebene verschiedener Produktgruppen mit der sogenannten „Gravitationsgleichung“ aus der internationalen Handelsliteratur (Head und Mayer, 2014). Anschließend verwendet der Autor diese Sanktionseffekte in einem Modell des internationalen Handels (Felbermayr et al., 2023). Hiermit kann der Autor das folgende „Was-wäre-wenn“-Szenario untersuchen: Wie würde die Welt aussehen, wenn es nur die Russlandsanktionen gibt, aber alle weiteren wirtschaftlichen Einflussfaktoren konstant gehalten werden? Da alle weiteren Einflussfaktoren ausgeschlossen werden – zum Beispiel andere Krisen oder politische Maßnahmen im letzten Jahr – kann der „pure“ Effekt der Sanktionen untersucht werden.
Russland ist der große Verlierer
Die Berechnungen zeigen, dass Russland eindeutig die Kosten der Sanktionen trägt (siehe Grafik 2). Das russische BIP sinkt durch die Sanktionen des Westens und russischer Gegensanktionen langfristig um 7,9%. Das heißt, allein die Sanktionen senken das Niveau der russischen Wirtschaft dauerhaft. Anders ausgedrückt: Ohne die Sanktionen wäre die russische Gesellschaft 7,9% „reicher“. Der Effekt bleibt auch dann bestehen, wenn die russische Wirtschaft in Zukunft wieder real wachsen sollte.
Im Gegensatz dazu fällt das BIP in der EU lediglich um 0,21%. Das entspricht einer Summe von 33 Mrd. Euro. Von den großen Mitgliedsländern ist Deutschland am stärksten betroffen. Das deutsche BIP sinkt um 0,26%. Das liegt vor allem an der Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland. In Österreich sinkt das BIP um 0,2% und ist damit leicht unterhalb des EU Durchschnitts.
Österreichische Exporte sinken um 1,7%. Am stärksten sind pharmazeutische Produkte (-9,5%) und der Sonstige Fahrzeugbau (-8,6%) betroffen. Maschinen und Geräte (-4%) und Elektronisches Equipment (-2,2%) sind weitere exportstarke Sektoren, die negativ betroffen sind (siehe Grafik 3). Einige Sektoren profitieren allerdings auch von den Sanktionen. Wenig überraschend steigen die Exporte von Petroleum (11,9%) deutlich an. Österreich kann hier einen Teil der weggebrochenen russischen Exporte übernehmen. Die Herstellung von Petroleum bezieht sich auf die Verarbeitung von Rohöl. Österreich produziert kein Öl, sondern verarbeitet mehr importiertes Öl als vor den Sanktionen, als auch Petroleum direkt aus Russland in die EU importiert wurde. Weitere Sektoren, die von den Sanktionen profitieren, sind die Herstellung und das Gießen von Metallen und der Bergbau von Metallerzen, deren Exporte jeweils um 1,6% steigen.
Die Analyse der Russland-Sanktionen unterstreicht die komplexen und weitreichenden Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die globale Wirtschaft. Während die Sanktionen Russland erheblich treffen, mit einem langfristigen BIP-Verlust von 7,9%, sind die Auswirkungen auf die EU insgesamt geringer, aber dennoch spürbar. Die österreichische Wirtschaft kann einen Teil der sanktionierten Handelsflüsse des Westens mit Russland übernehmen.Es reicht allerdings nicht aus, um die volkswirtschaftlichen Kosten für Österreich auszugleichen.
Autor:
Hendrik Mahlkow ist seit 2023 als Ökonom in der Forschungsgruppe „Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie“ am WIFO tätig. Er ist ein quantitativ arbeitender Außenhandelsökonom, der vor allem an umweltökonomischen und geopolitischen Fragestellungen interessiert es. Mit Hilfe großer empirisch geeichter Simulationsmodellen berechnet er sogenannte kontrafaktische Szenarien: „Was-Wenn-Überlegungen“, die erlauben, geplante Politikmaßnahmen zu evaluieren, oder bereits umgesetzte Maßnahmen ex post zu überprüfen. Er promoviert an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in „Quantitative Economics“. Zuletzt verbrachte er ein Forschungssemester an der Universität von Kalifornien in Berkeley.
References:
Bachmann, Ruediger, David Baqaee, Christian Bayer, Moritz Kuhn, Andreas Löschel, Benjamin Moll, Andreas Peichl, Karen Pittel, and Moritz Schularick, „What if? The economic effects for Germany of a stop of energy imports from Russia,“ Technical Report, ECONtribute Policy Brief 2022.
Balma, Lacina, Tobias Heidland, Sebastian Jävervall, Hendrik Mahlkow, Adamon N Mukasa, and Andinet Woldemichael, „Long-run impacts of the conflict in Ukraine on food security in Africa,“ Technical Report, Kiel Policy Brief 2022.
Felbermayr, Gabriel, Hendrik Mahlkow, and Alexander Sandkamp, „Cutting through the value chain: The long-run effects of decoupling the East from the West,“ Empirica, 2023, 50 (1), 75–108.
Head, Keith and Thierry Mayer, „Gravity equations: Workhorse, toolkit, and cookbook,“ in „Handbook of international economics,“ Vol. 4, Elsevier, 2014, pp. 131–195.
Österreichische Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, können höhere Flexibilitätsanforderungen stellen, bieten aber auch mehr Flexibilität bei den Arbeitsbedingungen, den Arbeitszeiten oder der Arbeitsorganisation, und eine höhere Entlohnung.
Österreichische exportorientierte Unternehmen mit höheren Flexibilitätsanforderungen an die Beschäftigten haben höhere Frauenbeschäftigungsquoten als vergleichbare inländische Unternehmen. Je höher die Flexibilitätsanforderungen von exportorientierten Unternehmen an die Beschäftigten, desto geringer ist die Teilzeitquote, insbesondere bei Frauen.
In österreichischen exportorientierenden Unternehmen verdienen Frauen im Durchschnitt mehr als in Unternehmen, die nur im Inland tätig sind. Männer profitieren jedoch stärker von höheren Löhnen und Gehältern in exportorientierten Unternehmen.
Frauen in exportorientierten Unternehmen
Trotz der verfassungsmäßigen Absicherung der Gleichstellung von Frauen und Männern und des Konsensus, diese zu erreichen, bestehen in Österreich nach wie vor große Unterschiede in soziökonomischen Merkmalen. Diese betreffen etwa die Erwerbsbeteiligung als auch die Höhe von Löhnen und Gehälter (Böheim, Fink & Zulehner, 2023). Diese Unterschiede können zum Teil durch Faktoren wie die ungleiche Verteilung von Familienarbeit zwischen den Geschlechtern erklärt werden. Dennoch bleibt eine Restgröße, die auf ein gewisse „Diskriminierung“ von Frauen im Erwerbsleben und am Arbeitsmarkt hinweist.
Da Frauen auf dem Arbeitsmarkt häufig weniger flexibel sind, kann die Globalisierung das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern noch verschärfen. Internationalisierte Unternehmen könnten die Flexibilität der Arbeitskräfte höher wertschätzen als nur im Inland tätige Unternehmen, was für Frauen aufgrund von Care-Arbeit oftmals ein Nachteil ist. In der Literatur wird auf den stärkeren internationalen Wettbewerb verwiesen, weshalb Exporteure von ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oftmals ein größeres Maß an Engagement und mehr Flexibilität verlangen (Kvande, 2009, Bøler, Javorcik & Ulltveit-Moe, 2018).
Die Internationalisierung kann jedoch auch ein Faktor für die Verringerung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen sein. Eine stärkere Beteiligung am internationalen Handel schafft Wachstumspotentiale, die eine höhere Nachfrage – auch nach Frauen am Arbeitsmarkt – generieren. Dies könnte zu einer stärkeren Erwerbsbeteiligung von Frauen führen (Oostendorp, 2009). Dieses Spotlight gibt einen ersten Eindruck über die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen in international tätigen österreichischen Unternehmen auf Basis von erstmalig für die wissenschaftliche Forschung verfügbaren Registerdaten der amtlichen Statistik von 2013-2019.
Höhere Flexibilitätsanforderungen bei mehr Flexibilität…
Der Frauenanteil in österreichischen Unternehmen ist im Dienstleistungsbereich deutlich höher als in der Industrie oder im Baugewerbe. Dies gilt sowohl für exportierende als auch für nur im Inland tätige Unternehmen. Unter Berücksichtigung von Branchen-, Größen- und Produktivitätsunterschieden zwischen Unternehmen zeigt sich, dass exportierende Unternehmen im Durchschnitt einen rund 3.5 Prozentpunkte höheren Frauenanteil aufweisen als vergleichbare Unternehmen, die nur am heimischen Markt aktiv sind. Zu ähnlichen Ergebnisse kommt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der OECD (2023) für ausländische Direktinvestitionen in Österreich. Österreichische Exportunternehmen mit Handelspartnern in weit entfernten Ländern weisen einen um etwas 6-8% höheren Frauenanteil auf (siehe Abbildung 1). Es bestehen aufgrund von Zeitzonendifferenzen höhere Flexibilitätsanforderungen, um die Erreichbarkeit per Telefon und E-Mail sowie technische Unterstützung und Zusammenarbeit zu gewährleisten.
Abbildung 1: Frauenanteil in exportierenden Unternehmen (in %)
Anmerkung: Durchschnittlicher Frauenanteil nach Unternehmenstyp, 2013-2019. „+/- 4h Exporter“ umfassen alle Unternehmen, mit überwiegenden Exportdestinationen mit einer Zeitzonendifferenz von mindestens 4 Stunden. Ausreißer ausgeschlossen. Quelle: Austrian Micro Data Center, Statistik Austria, 2013-2019. WIFO Darstellung.
Abbildung 2: Anteil an Teilzeitbeschäftigen (in %)
Anmerkung: Durchschnittliche Teilzeitbeschäftigungsquote nach Unternehmenstyp, 2013-2019. „+/- 4h Exporter“ umfassen alle Unternehmen, mit überwiegenden Exportdestinationen mit einer Zeitzonendifferenz von mindestens 4 Stunden. Ausreißer ausgeschlossen. Quelle: Austrian Micro Data Center, Statistik Austria, 2013-2019. WIFO Darstellung.
Bei der Teilzeitbeschäftigung zeigt sich, dass mit ansteigenden Flexibilitätsanforderungen von den Beschäftigten die Teilzeitquote sinkt. Die gilt insbesondere für Frauen (siehe Abbildung 2). Bei Zeitzonenunterschieden von mehr als 4 Stunden ist es bei einer durchschnittlicher täglicher Teilzeitarbeitszeit von 4 Stunden schwierig, überschneidende Arbeitszeiten mit entfernten Geschäftspartnern zu finden. Daraus ergibt sich, dass in international aktiven Unternehmen mehr Frauen in Vollzeit beschäftigt sind. Dies gilt auch für Mütter mit Kindern im Vorschulalter. So können Frauen ihre Qualifikationen und Kompetenzen besser einbringen und Berufserfahrungen aufbauen.
Demgegenüber steigt die Teilzeitquote der Männer in exportorientierenden Unternehmen – wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, zwar höhere Flexibilitätsanforderungen haben, gleichzeitig aber auch mehr Flexibilität ermöglichen, etwa bei den Arbeitsbedingungen, der Arbeitszeitgestaltung oder der individuellen Arbeitsorganisation
… und höheren Löhnen für Frauen in Österreich
Abbildung 3: Vollzeitlöhne für Frauen in Österreich
Anmerkung: Durchschnittliche unbereinigte Vollzeitlöhne von 2013-2019 nach Unternehmenstypen.Ausreißer ausgeschlossen. Quelle: Austrian Micro Data Center, Statistik Austria, 2013-2019. WIFO Darstellung.
Auch beim Einkommen profitieren Frauen von höheren Vollzeitlöhnen und -gehältern in exportorientierten Unternehmen. Als Vergleich werden Unternehmen herangezogen, die ausschließlich am heimischen Markt aktiv sind (siehe Abbildung 3). Allerdings ist der Lohnaufschlag in exportierenden Unternehmen höher für Männer als für Frauen, wodurch sich der geschlechtsspezifische, unbereinigte Lohnunterschied vergrößert. Im Durchschnitt verdienten Frauen über den Zeithorizont von 2013-2019 rund 21 Prozent weniger als Männer in exportierenden Unternehmen, während Frauen in nur am inländischen Markt aktiven Unternehmen „nur“ 18 Prozent weniger als Männer verdienten.
Somit zeigt sich für die österreichischen Exporteure, dass sie – trotz hoher Flexibilitätsanforderungen an ihre Beschäftigten – ihrerseits den Beschäftigten ebenfalls mehr Flexibilität zugestehen. Die höheren zeitlichen Flexibilitätsanforderungen der exportierenden Unternehmen gehen auch mit höheren Löhnen und Gehältern einher. Allerdings werden Männer davon stärker begünstigt.
Detaillierte Zusammenhänge zwischen der Beschäftigung von Frauen und geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden werden im Rahmen des FIW-Projekts „Frauen in der österreichischen Außenwirtschaft“ von Birgit Meyer, Klaus Friesenbichler und Harald Oberhofer auf Basis von Mikrodaten des Austria Mirco Data Center der Statistik Austria analysiert. Die Ergebnisse werden voraussichtlich Mitte 2023 als FIW-Studie publiziert
Referenzen:
Bøler, E. A., B. Javorcik, und K. H. Ulltveit-Moe (2018). Working across Time Zones: Exporters and the Gender Wage Gap. Journal of International Economics 111 (1. März 2018): 122–33.
Böheim, R, M. Fink, und C. Zulehner (2023). Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in Österreich von 2005 bis 2021. WIFO Research Briefs 4/2023.
Kvande, E. (2009). Work-life balance for fathers in globalized knowledge work. Some insights from the Norwegian context. Gender, Work & Organization, 16(1), 58-72.
Oostendorp, R. H. (2009). Globalization and the Gender Wage Gap. The World Bank Economic Review, 23(1), 141-161.
OECD (2023). FDI Qualities Review of Austria: Closing Gender Gaps and Empowering Women. OECD Publishing Paris.
ist Ökonomin und in der Forschungsgruppe „Industrieökonomie, Innovation und internationaler Wettbewerb“ tätig. Zudem ist sie Lektorin am Institut für Internationale Wirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und External Research Fellow am Kieler Zentrum für Globalisierung (KCG). Sie hat einen Abschluss in Volkswirtschaft von der Universität Bonn und promovierte 2016 an der Universität Kiel. Für ihre Dissertation erhielt sie 2017 den Fakultätspreis für herausragende Promotionen der Universität Kiel. Während ihrer Promotion war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kiel Institut für Weltwirtschaft und der Universität Kiel. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Analyse der Effekte der Globalisierung auf Innovation, Investitionen und Entwicklung. Hier fokussiert sie sich insbesondere auf die Analyse der Effekte von Auslandsdirektinvestitionen, multinationaler Unternehmen und internationalem Handel auf Unternehmens- und Branchenebene. Dazu hat sie mehrere Projekte durchgeführt, u. a. für Einrichtungen wie der Weltbank oder UNIDO. Eine Vielzahl ihrer Arbeiten wurden in akademischen Journals veröffentlicht, darunter The World Economy, World Development und Review of World Economics. Sie hält Vorträge auf zahlreichen Konferenzen und Workshops. Bei der Jahrestagung der Nationalökonomischen Gesellschaft (NOeG) 2019 erhielt sie den Young Economist Award für ihre Forschungsarbeit.
Organisation: Pol Antràs (Harvard), Alejandro Cuñat (University of Vienna), and Kalina Manova (UCL)
Keynote-Lectures: Swati Dhingra (LSE) und Marc J. Melitz (Harvard)
Im Anschluss an die ersten fünf Ausgaben von WIEN wird die Universität Wien erneut ein zweitägiges Treffen veranstalten, das Forscher mit Interesse an internationaler Wirtschaft, globalen Wertschöpfungsketten und Wirtschaftsgeographie zusammenbringen wird.
Der Workshop wird in der wunderschönen Sky-Lounge der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Statistik der Universität Wien mit Blick auf das Stadtzentrum stattfinden.
Um in das Programm aufgenommen zu werden, müssen die Beiträge im PDF-Format bis Freitag, 10. März 2023, an economics@univie.ac.at eingereicht werden. Die für die Konferenz ausgewählten Autoren werden Ende März benachrichtigt.
Die Organisatoren sind besonders daran interessiert, Beiträge von jungen Wissenschaftlern, einschließlich Doktoranden und Forschern, die gerade ihre Promotion abgeschlossen haben, zu erhalten. In diesem Sinne würden wir es begrüßen, wenn Sie diese Aufforderung zur Einreichung von Beiträgen an Ihre jüngeren Kollegen, ehemaligen Studenten und derzeitigen Doktoranden weitergeben könnten. Wie in den vergangenen Jahren werden wir bei der Auswahl der Referenten aktiv auf Vielfalt achten.
Den Teilnehmern wird eine Unterkunft im Zentrum von Wien zur Verfügung gestellt, und die Flugkosten für die Referenten werden im Rahmen bestimmter Budgetvorgaben ebenfalls erstattet. Die Konferenz wird großzügig von der Heinrich Graph Hardegg’sche Stiftung, dem FIW, der Universität Wien, dem VGSE, dem wiiw und dem Europäischen Forschungsrat im Rahmen des EU-Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 (Grant Agreement 724880) unterstützt.
Als Höhepunkt des FIW-Workshops „Women in International Economics“ überreichten Generalsekräterin Eval Landrichtinger (BMAW) und FIW-Projektleiter Univ.-Prof. Harald Oberhofer den FIW-Award für Masterarbeiten im Bereich International Economics an die beiden Preisträgerinnen Nicole Sattler und Johanna Treiber.
Im Rahmen des „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ wird der „FIW Award für Frauen in der Wirschaftsforschung“ jährlich als Förderung für exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen im Forschungsbereich International Economics ausgeschrieben.
Der diesjährige Preis richtete sich an qualifizierte Wissenschafterinnen, die eine Diplom- oder Masterarbeit an einer österreichischen Universität im Bereich „International Economics“ verfasst haben oder an österreichische Staatsbürgerinnen, die ihre Masterarbeit an einer Universität im Ausland verfasst haben
Die Höhe des Förderpreises beträgt insgesamt € 5.000, in diesem Jahr erhalten die beiden Preisträgerinnen jeweils 2.500€.
Ausgezeichnet wurden:
Nicole Sattler (BMF) für die Master-Arbeit „The impact of the AfCFTA on the EU-Africa trade relation“
Johanna Treiber (Deutsche Bundesbank) für die Master-Arbeit „Labour Laws and FDI Productivity Spillovers – Analysis of the Labour Mobility Channel“.
It is important to study how other countries trade policies affects us. We often are only concerned with our trade policies. What others do matters! This is what we know from trade theory. Economic relationships with African economies will be crucial for tackling main challenges like climate change. Need for raw materials such a rare earths for green technologies. Technology transfer from EU to Africa crucial for development of global CO2-emmission.This is an excellent Master thesis, very well conducted and timely.
Harald Oberhofer zur Begründung der Verleihung des FIW-Awards 2022 an Nicole Sattler.
This thesis applies state of the art econometric methods for studying an important question in the International Economics, namely on potentially positive effects of FDI for the host countries.The findings are relevant for understanding potential heterogeneity in positive FDI spillover effects for productivity also contributing to the policy debate on the role of host market institutions for the effects of FDI.This is important to our understanding of potential effects of technology transfer that might become relevant with respect to green technologies.
Harald Oberhofer zur Begründung der Verleihung des FIW-Awards 2022 an Johanna Treiber.
Nach starken Wachstumsjahren stagniert Österreichs Außenhandel 2023
Nach einer dynamischen Entwicklung 2022 erwartet der „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ (FIW) für 2023 ein geringes Wachstum der österreichischen Exporte und Importe.
Das vierte Jahresgutachten des FIW zur „Lage der österreichischen Außenwirtschaft“ wurde gemeinsam mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher vorgestellt. Das Jahresgutachten widmet sich den aktuellen internationalen Rahmenbedingungen für die österreichische Außenwirtschaft und der Handelsentwicklung im Jahr 2022. Darüber hinaus präsentierten die Studienautoren Harald Oberhofer (WIFO, WU Wien) und Robert Stehrer (wiiw) sowie die Studienautorin Bettina Meinhart (WIFO) kurz- und mittelfristige Prognosen für die zu erwartende zukünftige Entwicklung der österreichischen Außenwirtschaftsbeziehungen.
Das Jahr 2022 stand unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine und der darauffolgenden Energiepreiskrise. Haushalte und Unternehmen waren von den gestiegenen Energiekosten massiv betroffen. Ab dem 2. Halbjahr hinterließen der daraus resultierende Angebotsschock und die hohen Inflationsraten ihre Spuren in der Weltwirtschaft. Die österreichische Abhängigkeit von russischem Erdgas stellt die heimischen Haushalte, Unternehmen und die Politik vor besondere Herausforderungen. Der österreichische Außenhandel konnte sich unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen relativ gut behaupten, litt 2022 aber unter der deutlichen Verschlechterung der Terms-of-Trade, also einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Export- und Importpreisen. Die Preise für österreichische Warenexporte sind um 5,5 Prozentpunkte weniger stark als die Importpreise angestiegen. In reinen Mengen ausgedrückt haben sich die österreichischen Exporte dynamischer als die Importe entwickelt: Der Gesamtexport von Waren und Dienstleistungen stieg gemäß Prognose real im Jahr 2022 um 8,8%, die Importe nahmen um 5,1% zu.
2022 überwog der negative Terms-of-Trade-Effekt den Mengeneffekt, sodass sich 2022 die österreichische Handelsbilanz um 7,6 Mrd. € im Vergleich zum Jahr 2021 verschlechterte und ein Defizit von –20,5 Mrd. € aufweist. Die positivere Entwicklung der Dienstleistungsbilanz, welche durch eine massive Steigerung der Reiseverkehrsexporte (mehr Reisen von ausländischen Tourist:innen nach Österreich) getrieben wurde, konnte letztes Jahr das Handelsbilanzdefizit ausgleichen. 2022 ist die Leistungsbilanz mit 200 Mio. € im positiven Bereich.
Für 2023 prognostiziert der „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ (FIW) ein Wachstum der Gesamtexporte in Höhe von 0,3%. Die Importe dürften heuer um 0,9% steigen. Vor allem durch die steigenden Importpreise – verursacht durch die Energiekrise – könnte Österreich 2023 das erste Mal seit 2001 eine negative Leistungsbilanz aufweisen. Das Defizit beträgt laut Prognose –1,8 Mrd. € (0,4% des BIP).
Im Jahr 2023 setzt sich die Verschlechterung der Terms-of-Trade auf Basis der Studienprognose mit einem Rückgang von 1% weiter fort. Die Warenexporte dürften um 0,1% zulegen, die Dienstleistungsexporte verzeichnen ein Wachstum von 1,2%. Die Gesamtimporte wachsen um 0,9%. Der Unterschied zwischen den Exporten und Importen ergibt sich aus einem höheren Dienstleistungsimportwachstum von 3,3%. Die Handelsbilanz könnte sich durch den weiteren negativen Terms-of-Trade-Effekt auf –23,3 Mrd. € verschlechtern. Dieses Defizit wird von den Dienstleistungsbilanzüberschüssen nicht mehr vollständig kompensiert werden können. Die österreichische Leistungsbilanz wird 2023 mit einem Abgang von –1,8 Mrd. € (0,4% des BIP) einen negativen Saldo aufweisen. 2024 sollte die Leistungsbilanz laut Prognose zu einem geringen Überschuss zurückkehren.
Vor einem Jahr wurde das weltweit größte Handelsabkommen der Welt, das RCEP-Abkommen, abgeschlossen. Der Handel der EU und Österreichs mit dieser Region entwickelte sich in den letzten 20 Jahren sehr dynamisch, wobei China die Hauptrolle zukommt. Dabei spielen vor allem die Importe von Hochtechnologieprodukten eine wichtige Rolle, was auch strategische Abhängigkeiten impliziert, die aufgrund der geopolitischen Veränderungen stärker beachtet werden.
Das RCEP-Abkommen
Das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) Abkommen über die regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft im asiatischen Raum wurde im Jänner 2022 nach zehnjährigen Verhandlungen umgesetzt. Damit wurde der größte Handelsblock der Welt gebildet und somit ein weiteres Kapitel der internationalen Handelsgeschichte geschrieben. Das RCEP-Abkommen umfasst China, Japan, Südkorea, Neuseeland, Australien und die ASEAN-Staaten und gewährleistet die schrittweise Abschaffung der Zölle zwischen den RCEP-Mitgliedern bis 2040 und eine fast vollständige Öffnung des Warenhandels (90%). Aufgrund der Größe dieser Region werden längerfristig große Auswirkungen auf den globalen Handel und Wachstum erwartet. So haben die RCEP-Länder zusammen, im Vergleich zur EU, ein um etwa 70% höheres BIP und eine mehr als viermal so große Bevölkerung. Das macht eine weitere Verschiebung des geographischen Schwerpunkts des Handels in Richtung Asien-Pazifik (Quah, 2011) und weg vom Westen in den nächsten zwanzig Jahren wahrscheinlich (UNCTAD, 2021).
Starke Dynamik Richtung Asien schon vor dem Abkommen …
Es liegt auf der Hand, dass die Dynamik, mit der sich das RCEP-Abkommen auf die Zukunft des Handels auswirkt, in erster Linie von China, dem dominierenden Handelsmitglied des RCEP, abhängen wird. Auf China allein entfällt mehr als die Hälfte der Bevölkerung und Produktion in diesem Freihandelsraum. Darüber hinaus ist die Rolle Chinas im internationalen Handel nach seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001 stark gewachsen. Betrachtet man den gesamten Handel der RCEP-Mitglieder mit der EU zeigt sich, dass dieser stark zunahm: Der Anteil der Einfuhren an den extra-EU Importen stieg seit 2001 um 4,5 Prozentpunkte und der Anteil der Ausfuhren um 3,1 Prozentpunkte (siehe Abbildung 1, links). Dieser Anstieg mit den RCEP-Mitgliedern geht vor allem auf das Konto Chinas, jedoch auf Kosten einiger anderer Mitglieder wie Japan, dessen Ausfuhren in die EU (als Anteil am Gesamtvolumen) im entsprechenden Zeitraum von 2,8% auf 1,2% zurückgingen. Dasselbe gilt für Österreich, auch wenn der Anstieg des Handelsanteils in dieser Periode geringer ausfällt als für die EU insgesamt (siehe Abbildung 1, rechts).
… vor allem bei Hochtechnologieprodukten
Der Anteil der EU-Gesamtimporte aus den RCEP-Ländern ist jedoch bei Hochtechnologieerzeugnissen von etwa 15% im Jahr 2001 auf 24% im Jahr 2020 noch viel stärker gestiegen (siehe Abbildung 2). Für Österreich ist der Anstieg sogar noch höher — ein Sprung von 14 Prozentpunkten in diesem 20-Jahres-Zeitraum (Abbildung 2, rechts). Heute stammen fast 43% der gesamten EU-Importe von Computer-, Elektronik- und optischen Erzeugnissen, 26 % der Computer-, Elektronik- und optischen Erzeugnisse und etwa 20 % der Maschinen und Ausrüstungen aus dem RCEP-Block. Der Export dieser Güter mit den RCEP-Mitgliedern hat ebenfalls zugenommen, auch wenn er geringere Anteile an den Gesamtexporten der EU und Österreichs ausmacht (siehe Abbildung 3).
Dies macht diesen Sektor besonders abhängig und damit anfällig angesichts der weiteren Verlagerung nach Asien und der potenziellen Veränderungen der Handelsmuster infolge des RCEP-Abkommens. Dies hat auch größere wirtschaftliche Auswirkungen, da der Hochtechnologiesektor viel stärker auf F&E und Innovation angewiesen ist als die traditionelle verarbeitende Industrie. Als solche sind Hochtechnologie-Sektoren ein wichtiger Katalysator für Wachstum (Hornbeck und Moretti, 2018), insbesondere in Zeiten des digitalen und grünen Wandels. Eines der markantesten Beispiele ist dabei die Halbleiterproduktion im und -importen aus dem asiatischen Raum.
Jedoch Stagnation der Handelsbeziehungen im letzten Jahr
Für 2022 kann man (für die Monate Jänner bis September) eine Stagnation oder sogar einen geringen Rückgang des Anteils des EU-RCEP-Handels beobachten (siehe Abbildung 1 und 2). Die EU-Exporte in die RCEP-Länder gingen um etwa 1 Prozentpunkt zurück, während die österreichischen Hightech-Importe aus den RCEP-Ländern um etwa 3 Prozentpunkte sanken — der größte Rückgang im Hightech-Handel mit dem neuen Handelsblock in den letzten 20 Jahren. Es überrascht nicht, dass diese Verschiebung hauptsächlich von China allein verursacht wird (jährlicher Rückgang um 3,5 Prozentpunkte).
Es ist allerdings schwierig, die Ursachen für diesen Rückgang des EU-RCEP-Handels zu bestimmen, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Nach der COVID-19-Pandemie und den geopolitischen und -ökonomischen Verwerfungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeichnen sich neue Trends im Handel ab mit dem Ziel die Lieferketten zu verkürzen (unter den Begriffen Nearshoring, Reshoring, oder Friendshoring). Auch die „Offene strategische Autonomie der EU bis 2040“ geht von einer stärkeren wirtschaftlichen Beziehung zwischen der EU und ihrer Nachbarschaft aus, sowie einer Neuausrichtung der Positionierung gegenüber China. So zielt, zum Beispiel, der im Dezember 2022 verabschiedete „European Chips Act“ darauf ab, die Widerstandsfähigkeit der Hightech-Lieferketten zu stärken — gerade bei den Halbleiterprodukten der EU, für die sich die Nachfrage laut Europäischer Kommission bis 2030 verdoppeln wird. All diese Trends dürften den Handel zwischen geografisch nahen Ländern auf Kosten der weiter entfernten Länder stärken. Im Einklang damit steht das Handelsabkommen RCEP, das verstärkt zur Bildung von Lieferketten innerhalb des asiatisch-pazifischen Raumes beitragen dürfte. Aus diese Gründen kann man davon ausgehen, dass sich die Dynamik des Handels mit den RCEP-Ländern in den nächsten zwanzig Jahren aufgrund von Umlenkungseffekten, die sich aus dem Abkommen ergeben (siehe z. B. Stehrer und Vujanovic, 2022), sowie der derzeit absehbaren generellen globalen Änderungen abschwächen wird.
Referenzen
Hornbeck, R., & Moretti, E. (2018). Who benefits from productivity growth? Direct and indirect effects of local TFP growth on wages, rents, and inequality (No. w24661). National Bureau of Economic Research.
Quah, D. (2011). The global economy’s shifting centre of gravity. Global Policy, 2(1), 3-9.
Stehrer, R., & Vujanovic, N. (2022). The Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) agreement: Economic implications for the EU27 and Austria (No. 054). FIW.
UNCTAD (2021), A new centre of gravity: The Regional Comprehensive Economic Partnership and its trade effects.
Nina Vujanović ist Ökonomin am wiiw und forscht zu Themen des internationalen Handels, ausländischer Direktinvestitionen und den Balkanländern. Zuvor arbeitete sie als Beraterin des Vizegouverneurs der Zentralbank von Montenegro, als Beraterin bei der UNCTAD (Abteilung für Investitionen und Unternehmen) und als Forschungsstipendiatin bei der WTO (Abteilung für Wirtschaftsforschung und Statistik). Sie veröffentlichte Arbeiten in den Bereichen ausländische Direktinvestitionen, Produktivität, Innovation und Kreditrisiko. Sie hat einen PhD in internationaler Wirtschaft von der Staffordshire University und einen Master in Wirtschaftspolitik vom University College London.
Die Graphiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und absolviert derzeit sein Masterstudium in Volkswirtschaft an der WU Wien.