FIW-Spotlight: Entwicklung des Handels mit den RCEP-Staaten

Vor einem Jahr wurde das weltweit größte Handelsabkommen der Welt, das RCEP-Abkommen, abgeschlossen. Der Handel der EU und Österreichs mit dieser Region entwickelte sich in den letzten 20 Jahren sehr dynamisch, wobei China die Hauptrolle zukommt. Dabei spielen vor allem die Importe von Hochtechnologieprodukten eine wichtige Rolle, was auch strategische Abhängigkeiten impliziert, die aufgrund der geopolitischen Veränderungen stärker beachtet werden.

Das RCEP-Abkommen

Das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) Abkommen über die regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft im asiatischen Raum wurde im Jänner 2022 nach zehnjährigen Verhandlungen umgesetzt. Damit wurde der größte Handelsblock der Welt gebildet und somit ein weiteres Kapitel der internationalen Handelsgeschichte geschrieben. Das RCEP-Abkommen umfasst China, Japan, Südkorea, Neuseeland, Australien und die ASEAN-Staaten und gewährleistet die schrittweise Abschaffung der Zölle zwischen den RCEP-Mitgliedern bis 2040 und eine fast vollständige Öffnung des Warenhandels (90%). Aufgrund der Größe dieser Region werden längerfristig große Auswirkungen auf den globalen Handel und Wachstum erwartet. So haben die RCEP-Länder zusammen, im Vergleich zur EU, ein um etwa 70% höheres BIP und eine mehr als viermal so große Bevölkerung. Das macht eine weitere Verschiebung des geographischen Schwerpunkts des Handels in Richtung Asien-Pazifik (Quah, 2011) und weg vom Westen in den nächsten zwanzig Jahren wahrscheinlich (UNCTAD, 2021).

Starke Dynamik Richtung Asien schon vor dem Abkommen …

Es liegt auf der Hand, dass die Dynamik, mit der sich das RCEP-Abkommen auf die Zukunft des Handels auswirkt, in erster Linie von China, dem dominierenden Handelsmitglied des RCEP, abhängen wird. Auf China allein entfällt mehr als die Hälfte der Bevölkerung und Produktion in diesem Freihandelsraum. Darüber hinaus ist die Rolle Chinas im internationalen Handel nach seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001 stark gewachsen. Betrachtet man den gesamten Handel der RCEP-Mitglieder mit der EU zeigt sich, dass dieser stark zunahm: Der Anteil der Einfuhren an den extra-EU Importen stieg seit 2001 um 4,5 Prozentpunkte und der Anteil der Ausfuhren um 3,1 Prozentpunkte (siehe Abbildung 1, links). Dieser Anstieg mit den RCEP-Mitgliedern geht vor allem auf das Konto Chinas, jedoch auf Kosten einiger anderer Mitglieder wie Japan, dessen Ausfuhren in die EU (als Anteil am Gesamtvolumen) im entsprechenden Zeitraum von 2,8% auf 1,2% zurückgingen. Dasselbe gilt für Österreich, auch wenn der Anstieg des Handelsanteils in dieser Periode geringer ausfällt als für die EU insgesamt (siehe Abbildung 1, rechts).

… vor allem bei Hochtechnologieprodukten

Der Anteil der EU-Gesamtimporte aus den RCEP-Ländern ist jedoch bei Hochtechnologieerzeugnissen von etwa 15% im Jahr 2001 auf 24% im Jahr 2020 noch viel stärker gestiegen (siehe Abbildung 2). Für Österreich ist der Anstieg sogar noch höher — ein Sprung von 14 Prozentpunkten in diesem 20-Jahres-Zeitraum (Abbildung 2, rechts). Heute stammen fast 43% der gesamten EU-Importe von Computer-, Elektronik- und optischen Erzeugnissen, 26 % der Computer-, Elektronik- und optischen Erzeugnisse und etwa 20 % der Maschinen und Ausrüstungen aus dem RCEP-Block. Der Export dieser Güter mit den RCEP-Mitgliedern hat ebenfalls zugenommen, auch wenn er geringere Anteile an den Gesamtexporten der EU und Österreichs ausmacht (siehe Abbildung 3).

Dies macht diesen Sektor besonders abhängig und damit anfällig angesichts der weiteren Verlagerung nach Asien und der potenziellen Veränderungen der Handelsmuster infolge des RCEP-Abkommens. Dies hat auch größere wirtschaftliche Auswirkungen, da der Hochtechnologiesektor viel stärker auf F&E und Innovation angewiesen ist als die traditionelle verarbeitende Industrie. Als solche sind Hochtechnologie-Sektoren ein wichtiger Katalysator für Wachstum (Hornbeck und Moretti, 2018), insbesondere in Zeiten des digitalen und grünen Wandels. Eines der markantesten Beispiele ist dabei die Halbleiterproduktion im und -importen aus dem asiatischen Raum.

Jedoch Stagnation der Handelsbeziehungen im letzten Jahr

Für 2022 kann man (für die Monate Jänner bis September) eine Stagnation oder sogar einen geringen Rückgang des Anteils des EU-RCEP-Handels beobachten (siehe Abbildung 1 und 2). Die EU-Exporte in die RCEP-Länder gingen um etwa 1 Prozentpunkt zurück, während die österreichischen Hightech-Importe aus den RCEP-Ländern um etwa 3 Prozentpunkte sanken — der größte Rückgang im Hightech-Handel mit dem neuen Handelsblock in den letzten 20 Jahren. Es überrascht nicht, dass diese Verschiebung hauptsächlich von China allein verursacht wird (jährlicher Rückgang um 3,5 Prozentpunkte).

Es ist allerdings schwierig, die Ursachen für diesen Rückgang des EU-RCEP-Handels zu bestimmen, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Nach der COVID-19-Pandemie und den geopolitischen und -ökonomischen Verwerfungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeichnen sich neue Trends im Handel ab mit dem Ziel die Lieferketten zu verkürzen (unter den Begriffen Nearshoring, Reshoring, oder Friendshoring). Auch die „Offene strategische Autonomie der EU bis 2040“ geht von einer stärkeren wirtschaftlichen Beziehung zwischen der EU und ihrer Nachbarschaft aus, sowie einer Neuausrichtung der Positionierung gegenüber China. So zielt, zum Beispiel, der im Dezember 2022 verabschiedete „European Chips Act“ darauf ab, die Widerstandsfähigkeit der Hightech-Lieferketten zu stärken — gerade bei den Halbleiterprodukten der EU, für die sich die Nachfrage laut Europäischer Kommission bis 2030 verdoppeln wird. All diese Trends dürften den Handel zwischen geografisch nahen Ländern auf Kosten der weiter entfernten Länder stärken. Im Einklang damit steht das Handelsabkommen RCEP, das verstärkt zur Bildung von Lieferketten innerhalb des asiatisch-pazifischen Raumes beitragen dürfte. Aus diese Gründen kann man davon ausgehen, dass sich die Dynamik des Handels mit den RCEP-Ländern in den nächsten zwanzig Jahren aufgrund von Umlenkungseffekten, die sich aus dem Abkommen ergeben (siehe z. B. Stehrer und Vujanovic, 2022), sowie der derzeit absehbaren generellen globalen Änderungen abschwächen wird.

Referenzen

Hornbeck, R., & Moretti, E. (2018). Who benefits from productivity growth? Direct and indirect effects of local TFP growth on wages, rents, and inequality (No. w24661). National Bureau of Economic Research.

Quah, D. (2011). The global economy’s shifting centre of gravity. Global Policy, 2(1), 3-9.

Stehrer, R., & Vujanovic, N. (2022). The Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) agreement: Economic implications for the EU27 and Austria (No. 054). FIW.

UNCTAD (2021), A new centre of gravity: The Regional Comprehensive Economic Partnership and its trade effects.

Autorin: Nina Vujanović, PhD (wiiw)

Nina Vujanović ist Ökonomin am wiiw und forscht zu Themen des internationalen Handels, ausländischer Direktinvestitionen und den Balkanländern. Zuvor arbeitete sie als Beraterin des Vizegouverneurs der Zentralbank von Montenegro, als Beraterin bei der UNCTAD (Abteilung für Investitionen und Unternehmen) und als Forschungsstipendiatin bei der WTO (Abteilung für Wirtschaftsforschung und Statistik). Sie veröffentlichte Arbeiten in den Bereichen ausländische Direktinvestitionen, Produktivität, Innovation und Kreditrisiko. Sie hat einen PhD in internationaler Wirtschaft von der Staffordshire University und einen Master in Wirtschaftspolitik vom University College London.

Die Graphiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und absolviert derzeit sein Masterstudium in Volkswirtschaft an der WU Wien.