Die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone: Fortschritte, Chancen und Herausforderungen für Afrikas megaregionale Initiative

Die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (AfCFTA) ist eine ehrgeizige und vielversprechende Initiative für Afrika und darüber hinaus. Sie kommt zu einer Zeit, in der der Kontinent vor vielen Herausforderungen steht. Afrika beherbergt die größte Gruppe von Entwicklungsländern der Welt, von denen 33 zu den am wenigsten entwickelten Ländern und 16 zu den Binnenentwicklungsländern gezählt werden.

Einleitung

Mit der Verabschiedung des Abkommens zur Errichtung der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA) im Mai 2018 wurde der regionalen Integration Afrikas ein neuer Impuls verliehen. Die AfCFTA verspricht, 1,4 Milliarden Menschen in 54 der 55 afrikanischen Länder (Eritrea nimmt nicht teil) miteinander zu verbinden, die einen Markt mit einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von 3,4 Billionen USD umfassen. Es sieht freien Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr und kontinentale Regeln für Wettbewerb, Investitionen, geistiges Eigentum, digitalen Handel sowie Regeln für Frauen und Jugendliche vor.

Betrachtet man die jüngste Entwicklung des Handels in Afrika, so ist nach der Pandemie ein Aufschwung zu verzeichnen. Der Handel wuchs von 589 Milliarden USD im Jahr 2021 auf 689 Milliarden USD im Jahr 2022. Dieses zweistellige Wachstum lag über den Zuwächsen anderer Regionen in der Welt. Dennoch hat sich das Bild von der schwachen Beteiligung des Kontinents am Welthandel nicht geändert. Der Anteil Afrikas am Welthandel schwankte in den letzten zehn Jahren um die 3%, wie in Abbildung 1 dargestellt ist. Dieser wird von den Anteilen anderer Regionen weit überschattet.

Dieser geringe Anteil Afrikas am Welthandel wird dem Kontinent jedoch kaum gerecht. Afrika beherbergt 25 Prozent der Weltbevölkerung und stellt einen Verbrauchermarkt dar, der 2015 einen geschätzten Wert von 1,4 Billionen USD hatte und bis 2030 auf 2,5 Billionen USD anwachsen soll. In diesem Zusammenhang ist die AfCFTA Teil der Agenda 2063 der Afrikanischen Union, die die Zukunftsvision Afrikas beschreibt. Die AfCFTA wird daher als Chance für Afrika gesehen, die großen Entwicklungsherausforderungen zu bewältigen und sich durch den Handel sowohl regional als auch global besser zu integrieren.

Stand der AfCFTA-Verhandlungen

Seit dem historischen Inkrafttreten des Abkommens, mit dem die AfCFTA im Jahr 2019 ins Leben gerufen wurde, sind wichtige Fortschritte erzielt worden. Insgesamt 47 der 54 Vertragsstaaten haben das Abkommen bisher ratifiziert.

Für den Warenhandel wurde das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Zölle für 97% des Handels zu liberalisieren. Die Vertragsstaaten haben entweder individuell oder als Teil einer regionalen Wirtschaftsgemeinschaft (REC) Zollangebote unterbreitet, in denen die Waren aufgeführt sind, die dem zollfreien Handel unterliegen. Die restlichen 3% machen sensible oder davon ausgeschlossene Waren aus.

Im Bereich des Dienstleistungsverkehrs sind die Verhandlungen in fünf vorrangigen Sektoren fortgeschritten, nämlich Unternehmens-, Kommunikations-, Finanz-, Tourismus- und Verkehrsdienstleistungen. Es wurden Dienstleistungsverzeichnisse erstellt, in denen der Marktzugang und inländische Erfordernisse in diesen Sektoren festgelegt werden. In künftigen Liberalisierungsrunden wird über weitere Sektoren verhandelt werden, wobei einige Länder bereits Angebote für nicht vorrangige Sektoren wie Gesundheits-, Bildungs- und Freizeitdienstleistungen unterbreitet haben.

Sowohl für Waren als auch für Dienstleistungen wurden und werden die vorgelegten Verpflichtungslisten technisch überprüft, um sicherzustellen, dass sie mit den Vereinbarungen übereinstimmen. Zur Erleichterung eines wirtschaftlich sinnvollen Handels mit Waren und Dienstleistungen im Rahmen der AfCFTA gibt es auch weitere Handelsinitiativen für Länder, die Unterstützung benötigen.

Für die sogenannte AfCFTA-Verhandlungsphase II wurden im Februar 2023 drei Protokolle mit gemeinsamen Regeln für geistiges Eigentum, Investitionen und Wettbewerb angenommen. Die Vertragsstaaten verhandeln nun weiter über zwei weitere Protokolle zu Frauen und Jugend bzw. zum digitalen Handel. Diese werden als entscheidend angesehen, um die Vorteile des AfCFTA voll auszuschöpfen, da Frauen und Jugendliche das Rückgrat des Privatsektors bilden und der digitale Handel ein sehr dynamischer Sektor ist, der jährlich um 40% wächst und bis 2025 voraussichtlich ein Volumen von über 300 Milliarden USD erreichen wird.

Parallel zum AfCFTA haben die Mitglieder der Afrikanischen Union auch Protokolle zur Förderung des freien Personenverkehrs und eines einheitlichen afrikanischen Luftverkehrsmarktes unterzeichnet, die die Mobilität der Menschen auf dem Kontinent erleichtern und den kommerziellen Luftverkehrsmarkt von verschiedenen Hindernissen befreien sollen, sobald diese in Kraft treten.

Erwartete Vorteile und Auswirkungen des AfCFTA

Historisch gesehen war die Zusammensetzung des afrikanischen Handels durch den Handel mit Primärgütern mit geringer Wertschöpfung gekennzeichnet. Obwohl es eine gewisse Diversifizierung des Handels gibt, zunehmend mit Asien und auch innerhalb des Kontinentes selbst, ist der Handel mit dem traditionellem Partner Europa immer noch sehr dominant. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, war die EU zwischen 2016 und 2022 im Durchschnitt das wichtigste Handelsziel Afrikas, auf das mehr als ein Viertel des Handels des Kontinents mit der Welt entfiel (28,6% der Ausfuhren und 26,9% der Einfuhren). Die afrikanischen Exporte und Importe nach und aus Österreich hatten im Durchschnitt einen Anteil von 0,3% am Gesamthandel.

Der zweite Platz ist eng zwischen dem Kontinent selbst und China umkämpft. Die innerafrikanischen Exporte machten 15,5% des afrikanischen Welthandelsanteils aus, dicht gefolgt von China (14,9 %) und Indien (6,8%). Die afrikanischen Einfuhren aus China machten 17,8% des Gesamthandels aus, verglichen mit 14%, 9,1% und 5% aus Afrika, Amerika und Indien. Der Handel mit der übrigen Welt machte im Zeitraum 2016-2022 im Durchschnitt fast ein Drittel der gesamten afrikanischen Ausfuhren (31,6%) und etwas mehr als ein Viertel der gesamten afrikanischen Einfuhren (26%) aus.

Bei näherer Betrachtung des Handels mit der EU zeigen sich deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Ein- und Ausfuhrmuster des Kontinents. Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, handelt es sich bei den afrikanischen Exporten in die EU in erster Linie um den Handel mit mineralischen Rohstoffen, d. h. Brennstoffen (46%), gefolgt von Industrieerzeugnissen (28%) und Nahrungsmitteln (14%), bei denen der Kontinent im Allgemeinen nur eine geringe Wertschöpfung erzielt. Betrachtet man dagegen die afrikanischen Importe aus der EU, so handelt es sich bei mehr als zwei Dritteln um Industrieerzeugnisse (67%), während verarbeitete Nahrungsmittel und Brennstoffe mit einem Anteil von jeweils 13% in den Hintergrund treten. Der innerafrikanische Handel zeigt dagegen ein anderes Bild. Innerhalb des Kontinents stehen Industrieerzeugnisse (45%) an erster Stelle, gefolgt von Brennstoffen (21%) und Nahrungsmitteln (20%).

Mit der AfCFTA werden sich diese Handelsmuster voraussichtlich ändern. Schätzungen zufolge wird der innerafrikanische Handel bis 2045 um 34% höher sein als ohne AfCFTA. Der Handel in Sektoren wie Agrar- und Ernährungswirtschaft, Dienstleistungen und Industrie wird um 49,1%, 37,9% bzw. 35,7% zunehmen. Der Anstieg in den Bereichen Energie und Bergbau wird mit 19,4% jedoch etwas geringer ausfallen. Mit der AfCFTA wird der Wert des innerafrikanischen Handels bis 2045 voraussichtlich um 577% steigen (gegenüber 405% in einem Szenario ohne AfCFTA). Dies würde zu einem Nettogewinn an innerafrikanischem Handelszuwachs von schätzungsweise 195 Mrd. USD führen, und der Anteil des innerafrikanischen Handels würde von heute 15% auf über 26 % im Jahr 2045 steigen.

Der innerafrikanische Handel mit Verkehrsdienstleistungen hat das Potenzial, um fast 50% zuzunehmen. Mehr als 25% der Zuwächse im innerafrikanischen Handel mit Dienstleistungen würden allein auf den Verkehr entfallen und Transportdienstleistungen würden bis zu 40% des Anstiegs der afrikanischen Dienstleistungsproduktion ausmachen. Im Jahr 2019 betrug die Nachfrage nach Lkws für den Transport von Massengütern 698.000. Ohne das AfCFTA und den Ausbau der Infrastruktur, wie ursprünglich geplant, würde diese Nachfrage nur auf 1,3 Millionen ansteigen verglichen mit einem Szenario mit vollem AfCFTA und Ausbau der Infrastruktur im Jahr 2045, bei dem die Nachfrage nach Lkw für Massengüter bis 2030 auf 1,9 Millionen ansteigen würde. Derzeit machen die Transportkosten in Afrika zwischen 15 und 20 % des Werts der Importe aus. Dies entspricht dem Doppelten oder sogar Dreifachen der Kosten in den Industrieländern.

Handels- und Investitionsmöglichkeiten in Afrika

Angesichts der geschätzten Gewinne und dynamischen Auswirkungen des AfCFTA ergeben sich durch die Handelsintegration Afrikas beträchtliche Chancen. Die erwartete Vergrößerung des Marktes wird die Markteffizienz fördern und Afrika zu einem attraktiveren Ziel für ausländische Investitionen und Handel machen.

Wie die Schätzungen für 2045 zeigen, besteht innerhalb der AfCFTA Spielraum für eine tiefere und dienstleistungsbasierte Industrialisierung. Es wird erwartet, dass dieser Handel zunehmend auch Zwischenprodukte für die Weiterverarbeitung innerhalb des Kontinents umfasst und so die regionalen Wertschöpfungsketten stärkt.

Im Gegensatz zu den weltweiten ausländischen Direktinvestitionen, die auf den Rohstoffsektor ausgerichtet sind, konzentrieren sich die innerafrikanischen Investitionen eher auf den Dienstleistungssektor, insbesondere auf das Versicherungswesen, den Bankensektor und die Telekommunikation. Das AfCFTA ist daher ein wichtiges Instrument zur Förderung des innerafrikanischen Handels und der Investitionen, insbesondere in den dynamischeren Sektoren. Die neue Handelsnachfrage durch das AfCFTA führt beispielsweise zu einem erhöhten Bedarf an Lastkraftwagen, Schienenfahrzeuge, Flugzeugen und Schiffen und damit zu einem Investitionspotenzial von 411 Milliarden USD. Insgesamt eröffnet das AfCFTA Chancen für (in- und ausländische) Unternehmen, die bereits auf dem Kontinent tätig sind, oder für diejenigen, die eine Produktionsstandort für den afrikanischen Markt errichten wollen.

Bestehende Herausforderungen und Bedenken im Zusammenhang mit dem AfCFTA

Obwohl sich die AfCFTA in einem frühen Stadium befindet, gibt es einige wichtige Herausforderungen und Bedenken. Diese reichen von den zahlreichen und sich überschneidenden REC-Mitgliedschaften, (siehe Tabelle 1) über die Kosten der Handelsanpassung, die Koexistenz mit anderen Handelsabkommen und früheren Verpflichtungen bis hin zur Fähigkeit der Länder, die verschiedenen Protokolle rechtzeitig in nationales Recht, Politik und Gesetzgebung umzusetzen.

Eine wichtige Frage dabei ist, wie das AfCFTA mit anderen Abkommen und Verpflichtungen koexistieren können wird, die bereits bestehen oder mit anderen Regionen, wie der EU und China, derzeit ausgehandelt werden. Mit der EU haben einige Länder bereits Wirtschaftspartnerschaftsabkommen geschlossen (siehe Tabelle 1). Das AfCFTA-Abkommen wird die Länder dazu zwingen, diese Abkommen im Lichte der neu hinzugekommenen Verpflichtungen zu überarbeiten.

Es wird erwartet, dass das AfCFTA-Abkommen dazu beitragen wird, die derzeitige Handelsabhängigkeit Afrikas bei Primärgütern von seinen externen Partnern, einschließlich der EU und China, zu verringern, insbesondere im Hinblick auf industrielle Einfuhren, was letztendlich dazu beitragen könnte, die Handelsdefizite der afrikanischen Länder gegenüber ihren externen Partnern zu verringern. Dies ist eine Chance für eine Verlagerung hin zu mehr Wertschöpfung und Zwischenhandelsstrukturen, von der Afrika und seine Handelspartner außerhalb des Kontinents profitieren können.

Ein Blick in die Zukunft

Das AfCFTA-Abkommen bietet beispiellose Möglichkeiten für Afrikas Transformation, Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung. Auch wenn sich Aspekte der AfCFTA-Verhandlungen noch entwickeln, ist es wichtig, den Umsetzungsprozess des Abkommens zu überwachen und zu unterstützen. Die wirksame Umsetzung der AfCFTA erfordert gemeinsame Anstrengungen und verschiedene Partnerschaften auf globaler und regionaler Ebene, die Afrika und seinen Geschäftspartnern helfen könnten, die erwarteten Vorteile und Chancen dieser Megaregion zu nutzen.


Autorin:

Laura Páez ist derzeit Gastwissenschaftlerin am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Sie ist eine internationale Entwicklungsexpertin mit mehr als zwanzig Jahren Berufserfahrung. Aktuell ist sie bei der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika (ECA) tätig, wo sie die Abteilung für Marktinstitutionen leitet. Zuvor war sie Leiterin der Abteilung für Investitionspolitik bei der ECA. Ihre derzeitige Arbeit konzentriert sich auf die Gewinnung von Wissen über die regulatorischen und politischen Dimensionen in den Bereichen Investitionen, Wettbewerb, geistiges Eigentum, Dienstleistungen und Digitalisierung in Afrika, um regionale Integrationsprozesse wie die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone zu unterstützen.

Vor ihrer jetzigen Tätigkeit bei der ECA arbeitete Laura Páez bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung in Genf an Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas im Rahmen der Handels- und Entwicklungsagenda des Kontinents.

Die Graphiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und hat kürzlich sein Masterstudium in Volkswirtschaft an der WU Wien abgeschlossen.